Autor: Ark
Datum:
Gebiet: Knochentempel im Wyrmdhal
Mihail blickte den Boten ruhig an. Der Bruder der Bleichen Priesterschaft kniete demuetig auf dem harten Felsboden, das Urteil des Fahlen Totenheilers abwartend. 'Dies ist Nyus' letztes Wort, sagst Du ... ?' Eilig richtete sich der Bleiche Priester auf: 'Herr, ein Affront gegenueber Eurem Einfluss, gewiss, dennoch empfahl mir die Schlange mit der gespaltenen Zunge Euch auszurichten, dass er gewiss kein neues Friedensangebot schicken wird.' Mihail laechelte kalt. So oft schon hatte der Hohepriester der verhassten Schuppengemeinschaft ein "letztes Angebot" geschickt. So oft schon verstrich es ohne Folgen. Der Fahle Totenheiler war geneigt, es erneut zu ignorieren. Bisher war er damit gut gefahren, der schuppige Priester lies als Zeichen seines Unwillens jedesmal ein paar geringere Brueder aus der Priesterschaft hinrichten, doch auf diese unbeholfenen, wehrlosen Geschoepfe konnte Mihail sehr leicht verzichten. Vielleicht war es an der Zeit, eine andere, kuehnere Taktik anzuwenden ... Spaet abends, als er Hel seine abendlichen frommen Bitten darbrachte, da klopfte es an der Tuer zu seinem bescheidenen Gemach. Thorax stand vor der Tuer, vor Aufregung zitternd. 'Herr, verzeiht mein Eindringen, ich denke, ich habe es geschafft ... Ihr muesst es Euch unverzueglich ansehen.' Sein langjaehriger Gefaehrte atmete schnell und leicht, als haette etwas ihn so befluegelt, dass er die duenne Luft weit ueber den Wolken atmen konnte. 'Mein Freund, beruhigt Euch, Ihr seid so ausser Atem, dass ich um Euch fuerchten muesste, wuesste ich es nicht besser.' Er laechelte ermutigend, so, wie er es immer tat, um eine kleine Glocke des Vertrauens um sich und sein Gegenueber zu schaffen, aus der dieser genug Zuversicht schoepfen konnte, um offen mit ihm zu reden. Waehrend der Schlagende Herzmeister vor ihm durch die dunkleren Gaenge des Knochentempels schritt, hoerte er interessiert den Ausfuehrungen von Thorax zu. Offenbar hatte dieser endlich das gefunden, was Mihail ihm schon seit Wochen aufgetragen hatte: den Geist, der als Herzzeitloser bekannt war, in den schattigen Gefilden Hels aufzuspueren und ihn auf diese Ebene zu holen. Gewiss wuerde er ueber genuegend Energie und Wissen verfuegen, um einen der maechtigsten Verbuendeten zu beschwoeren, die Hel dienten. Lange schon wartete Mihail darauf, dieses Geheimnis um diese Kreatur zu lueften, doch stets war es ihm entglitten. Der Fahle Totenheiler hatte es stets Zhettharo, seinem WORT, zugeschoben. Insgeheim vermutete Mihail, dass das WORT ihn sabotierte. Ob Zhettharo seinen Platz einnehmen wollte, ob er wartete, bis die Beschwoerung scheiterte ? Nur langsam drang das unablaessige Geschwaetz von Thorax wieder in sein Bewusstsein. Er riss sich zusammen und bemuehte sich um einen aufmerksamen Eindruck. '... war mir zuerst nicht bewusst, doch mein roter Mystiker brachte mich auf die Idee, den Rhythmus des Sprechens zu beschleunigen, so dass es sich mit der doppelten Herzfrequenz aeusserst fremdartig anhoerte. Nach einer Weile erst stellte sich der erhoffte Erfolg ein, wir bemerkten, dass sich das Zimmer verdunkelte, es wurde vollkommen still, und die Zeit schien ebenfalls fast anzuhalten. Dann schloss sich der Zeitriss - um nichts anderes handelte es sich naemlich - wieder, und wir sahen wieder klarer. Der Herzzeitlose formte sich vor uns, wurde eins mit unseren Herzen, durch deren Rhythmus er ploetzlich lebte.' Sie waren an der Tuer zum Corum Arcanum angelangt, der Gebetsstaette vom Schlagenden Herzmeister. Dieser legte seine verbrannte Hand auf die Klinke der Tuer, oeffnete sie sachte und bedeutete seinem Herrn, ihm zu folgen. Zunaechst sah Mihail ueberhaupt nichts ... der Raum war vollkommen in ein waberndes Rot getaucht. Doch aus diesem pochenden Nebel, dessen Rhythmus im Einklang mit seinem eigenen Herzschlagen war, formte sich allmaehlich ein Gesicht, dann ein kompletter Koerper. Der Herzzeitlose war haesslich, man konnte ihn nicht anders beschreiben. Die Tatsache, dass er friedlich um sich blickte, war wohl nur dem Beschwoerungskreis des roten Mystikers zu verdanken, der neben jenem kniete und unverstaendliches Zeug brabbelte. Mihail nahm Kontakt zum Geist auf ... es bereitete ihm keine Muehe, denn der Herzzeitlose hatte ihn wohl schon erwartet, wusste von seinem Kommen. 'Endlich erfuellt sich mein Schicksal ... was verlangt Ihr von mir, dem getreuen Diener des Nachtwaechters ?' Die Stimme klang trocken, fast raspelnd in seinem Kopf. Laechelnd wendete er sich der roten Gestalt zu und antwortete in der Art der Diener Hels. 'Bring mir Wissen, bring mir Macht, bring mir Weisheit des Waechters der Nacht. Herzzeitloser, die Bleiche Priesterschaft heisst Euch willkommen. Lange wurde Euer Kommen vorhergesagt. Die Schuppengemeinschaft fuerchtete den Tag Eurer Erscheinung, sie soll Grund genug dazu haben.' Langsam drehte Mihail sich zu Thorax um. Als er das Nicken wahrnahm, da wusste er, dass es nun kein Zurueck mehr gab. 'Herzzeitloser, der Fahle Totenheiler begehrt die Unterstuetzung von Nesserpatus. Eure Faehigkeiten sollen es sein, die den Schwarzen Kaiser der Schatten auf diese Welt holen muessen. Er kann gegen unseren Gegner einen vernichtenden Schlag fuehren.' Stille kehrte ein. Der Geist verharrte regungslos im Rhythmus wabernden Rots. Schliesslich, als die Zeit anzuhalten drohte, hoerte Mihail wieder die Stimme in seinem Kopf. 'Ihr seid sicher machtvoll genug, um gegen Hohepriester Nyus zu bestehen.' Der oberste Hirte der Bleichen Priesterschaft laechelte, diesmal war es ein zynisches Laecheln, welches dennoch von vielen seiner Subjekte sehr gefuerchtet wurde. 'Nicht Nyus' Kopf will ich ... sondern den von Wyrmmutter Nyshiina.' Ein kurzes Zischen erklang neben ihm. Thorax sog hoerbar die Luft ein. "Armer Tropf", dachte Mihail. Ein Visionaer wuerde niemals mehr aus dem Schlagenden Herzmeister werden, doch er hatte andere Vorzuege, auf die Mihail nicht verzichten mochte. Nach einer Weile ruehrte sich der Geist wieder. Kurz bevor er im rot wallenden Pulsieren des Gemachs zu verschwinden drohte, hoerte Mihail noch ein Wispern in seinem Kopf: 'Es sei ...'